Reportage & Interview | 13.09.2018

Fit für die Zukunft

Fotostrecke Echtermann-Geschäftsführer Matthias Cleffmann (links) mit dem Technischen Leiter Heinz- Peter Tuczyk / Foto: GW Verlag

Im westfälischen Iserlohn stellt die Firma Echtermann Gastronomiearmaturen für den Weltmarkt her. Wir sprachen mit Geschäftsführer Matthias Cleffmann über einen entscheidenden Materialwechsel, den inneren und äußeren Umbau des Unternehmens und vergoldete Wasserhähne.

Herr Cleffmann, Echtermann ist Premiumhersteller für Gastronomiearmaturen. Gegründet 1887, blickt das Unternehmen auf eine über 130-jährige Firmengeschichte zurück. Wo liegen die Wurzeln und wie hat sich der Betrieb entwickelt?

Echtermann hat tatsächlich mit Accessoires fürs Bad, Leuchtern für Klaviere und ähnlichen Produkten begonnen. Als später ein Armaturenhersteller, die Firma Kuhlmann, dazu gekauft wurde, erweiterte sich das Sortiment um Friseur- und Laborarmaturen. Da sich mit Firmen wie Grohe oder Dornbracht Mitbewerber in der Nachbarschaft befinden, musste sich Echtermann dagegen absetzen und spezialisierte sich auf Gastronomiearmaturen. Man fertigte Zapfhähne, Zapfanlagen und Thekenarmaturen. Echtermann ist nach wie vor ein Familienbetrieb.

Sie sind seit 2010 im Unternehmen, seit 2016 Geschäftsführer mit dem Anspruch, die Firma „für die Zukunft fit machen“. Welche Veränderungen haben Sie eingeführt?

Früher war Echtermann eher konservativ, nun verändert sich das Unternehmen stärker als in den Jahren zuvor. Wir investieren massiv in den Standort, bauen um, haben Expansionspläne. Die Verwaltungsetage ist bereits sehr modern geworden, sie zeigt sich nun als großzügige Begegnungsstätte mit TV und Terrasse. Schritt für Schritt sind auch die Produktionshallen dran; in Zukunft ist hier räumlich eine Erweiterung möglich. Und firmenintern? Was hat sich verändert? Der Dornröschenschlaf ist vorbei. Die frühere Meetingkultur hat uns langsam gemacht. Ich habe ein kleines, innovatives Unternehmen vor Augen, das nicht hierarchisch aufgebaut ist. Konstruktionsgespräche sind nun offen für alle, querdenken ist erlaubt, der Umgang mit den Mitarbeitern ist vertrauensvoll.

Der neue Auftritt wird Signalwirkung nach außen haben. Wir bauen hier ein modernes, vorzeigbares Unternehmen auf; wir gestalten unsere Produkte um; wir bauen die Webseite neu auf. Sie wird ein essenzielles Werkzeug unserer Vertriebsstrategie inklusive B2B Shop, Hinterlegung von 3D- und BIM-Datenblättern und der Bestellhistorie des Kunden. Das Geld für den Katalogdruck investieren wir künftig lieber in die Plattform und in digitalen Service.

Echtermann ist überdies ein fleißiger Messe- Aussteller.

Da verfolgen wir klar eine globale Ausrichtung: Internorga, Intergastra, Host, Gul- Food, FHA Singapur… Ebenso wichtig ist, dass wir in den letzten Jahren einen Vertrieb aufgebaut haben. Erst 2007 haben wir den ersten Außendienstler eingestellt – vorher haben wir auf Faxe der Kunden gewartet. (lacht) 

Sie sind gelernter Werkzeugmacher. Was steht noch in Ihrer Vita?

CAD/CAM-Programmierer, Systemprogrammierer, Ausflüge in die Medizintechnik, Aufenthalte im Mittleren Osten. In meinem Zeugnis müsste wohl stehen: „Beherrscht aktives Zuhören beim Kunden; entwickelt daraus sowohl Einzellösungen als auch generelle Ideen; nimmt Techniker mit zum Kundengespräch.“

Echtermann hat den Gulf Host Innovationspreis und den Intergastra Innovationspreis für den sensorgesteuerten Edelstahl- Wasserhahn abgeräumt – er ermöglicht berührungsloses Händewaschen in der Profiküche. Ihre Branche wird zurzeit eh zur Erneuerung getrieben. Was hat es mit dem Wechsel von verchromten Messingarmaturen auf Edelstahl auf sich?

Beim Verchromen von Cr6 wird Chromtrioxid verwendet, das als krebserregend gilt. Cr6 wurde deshalb in der EU verboten; seit September 2017 benötigen Unternehmen eine Autorisierung und müssen sich listen lassen, wenn sie weiterhin mit Cr6 verchromen wollen. Große Hersteller mit automatischen Galvaniken haben eine Übergangsfrist von zwölf Jahren; andere, bei denen Arbeiter im Verarbeitungsprozess mit der Substanz in Berührung kommen können, vier Jahre.

Und da sind Sie proaktiv tätig geworden und schwenken um auf Edelstahl? Wir sind die Einzigen, die das vollumfänglich tun! Das ist unser Alleinstellungsmerkmal, wir fühlen uns gegenüber unserer Kundschaft verpflichtet. In Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung werden nun einmal schlagresistente, reinigungsintensive Oberflächen benötigt. Edelstahl ist für diese Eigenschaften in der Großküche bekannt und genießt einen hervorragenden Ruf. Er ist kostenintensiv, aber laut DVGW hygienisch besser als verchromte Armaturen. Zur Hygiene verpflichtet uns die Trinkwasserverordnung, ebenfalls zur Reduzierung von Schwermetallen. Wir reden immerhin auch vom Einsatz in Kitas oder Seniorenresidenzen, also von Personen mit angeschlagenem oder noch nicht entwickeltem Immunsystem. Genau genommen ist nur die Strecke vom Hausanschluss bis zur Entnahme kritisch – das Rohrleitungssystem (Stichwort: Legionellen) kann schuld an einer Verunreinigung sein. Aber die Armatur ist eben im Fokus, und unser Ziel ist es, nie mit unseren Armaturen in diesen Fokus zu geraten.

Edelstahl ist ein anderes Material als Messing. Wird dann nicht ein komplettes Redesign Ihrer Produkte nötig?

Richtig. 1.500 Produkte müssen neu konzipiert und konstruiert werden, denn Messing ist weich, Edelstahl ist hart. Die Produkte werden dadurch durchaus teurer, aber eben qualitativ höherwertiger. Das zwingt uns zum Umdenken: Wir nutzen die Digitalisierung bei der Produktion und bei der Datenbereitstellung für den Planer, wir passen Prozesse und mechanische Bearbeitung an, wir finden neue Lieferanten. Hauptsache, die Kernkompetenz bleibt immer hier im Hause. Teuer ist übrigens vor allem, die Produkte zertifizieren zu lassen. Es gibt einerseits EU-weite mechanische Normen, aber Hygieneprüfungen gibt es nur länderspezifisch, und die sind sehr kostenintensiv. Wir sprechen von zirka 25.000 Euro pro Produkt. Dass wir jedoch unsere Produkte prüfen lassen, ist ein weiteres Qualitätsmerkmal. 

Sie erlösen etwa 40 bis 45 Prozent Ihres Umsatzes aus dem OEM-Geschäft und sind seit 40 Jahren Partner von Küppersbusch, Kärcher und vielen weiteren Partnern aus dem Gastgewerbe. Für diese liefern Sie Individualbau, Drehgelenke, Sicherheitsarmaturen, „versteckte Technik“ – wie stellen wir uns das vor?

Richtig ist, wir beliefern das Who‘s Who im Bereich der Kochtechnik, und das höchst individuell. Beispiel: Mit 20 unterschiedlichen Drehgelenken multipliziert mit verschiedenen Parametern ergeben sich 355.000 Varianten. Produktideen entstehen aus einem intensivierten OEM-Kontakt heraus, wir diskutieren direkt vor Ort mit dem Kunden und sind früh in die Entwicklung eingebunden. Das geschieht immer exklusiv und nie für den zweiten Kunden gleich. Wir beliefern also nicht A und zweitverkaufen dann das Gleiche an B. Auf unsere neuen Produktlinien geben wir übrigens eine „lifetime warranty“, das entspricht 15 Jahren Garantie. Kurz gesagt: „Rundum sorglos mit Echtermann.“

Sie produzieren ausschließlich im westfälischen Iserlohn, also strikt „Made in Germany“. Auf welchen Märkten sehen Sie das größte Wachstumspotenzial für Ihr Unternehmen und wie gehen Sie vor, um sich in diesen – Stichwort: Asien – zu etablieren? Über Jahrzehnte haben wir im Ausland mit Händlern und Distributoren gearbeitet. Früher haben wir nur D/A/CH und Anrainer beliefert. Dubai war für uns die Tür zum Mittleren Osten, dort laufen alle globalen Fäden zusammen. Fachplaner aus aller Welt versammeln sich dort, auch alle Hersteller und Baufirmen. In Dubai haben wir gelernt: Wir sind weltweit vernetzt. Über Dubai lief dann der Zugang zu Asien. Wir sind heute von den USA bis Indonesien, auf den Philippinen, in Thailand, Malaysia, Vietnam vertreten – überall, wohin der Tourismus geht. Dort legt man Wert auf „Made in Germany”.

Gibt es dort keine Konkurrenz?

Ein größerer US-amerikanischer Hersteller, zehnmal so groß wie wir, ist als einzige Firma dort vertreten. Deren Produkte haben den Charme vergangener Jahre bei technisch angepasster Qualität. Immerhin wissen wir nun: Wir können bei höherer Qualität weltweit preislich konkurrieren.

Was auch an den edlen Materialien liegen mag, mit denen Sie mitunter hantieren…

Ja, unsere Armaturen können Sie sehr teuer beschichtet bekommen, wenn Sie das passende Haus haben: Palladium, Ruthenium, Gold – viele Materialien sind möglich.

Werden wir wieder bodenständig: Was bieten Sie Partnern aus dem Fachhandel sowie Fachplanern an Leistungen?

Unterstützung jeglicher Art. Displays. Wir fahren mit raus zum Kunden, entwickeln gemeinsam mit dem Fachhandel Sonderlösungen wie eine Manufaktur. Dem Planer stellen wir 3D- und BIM-Daten zur Verfügung. Nach dem Umbau werden wir neue Schulungsräume haben. Unser Ziel ist es dann, Firmen und Fachhändler zertifizieren zu können. Wir sind Mitglied im FCSI, VdF, HKI, BIM-Lenkungskreis und beliefern alle Fachhandelsverbände. Wir verkaufen nicht an Endkunden – Ausnahmen: Bundeswehr und Marine – und beliefern die Gastronomie ausschließlich über den Fachhandel.

Haben Sie weitere Eckdaten für uns?

Echtermann macht in Deutschland 63 Prozent des Umsatzvolumens. Wir haben 2.000 Kunden – nach 130 Jahren im Markt kennt man wohl jeden Fachhändler. Über eigene Servicetechniker verfügen wir nicht, wir arbeiten mit den Serviceteams des Fachhandels zusammen. Serviceanfragen werden vom Vertriebsinnendienst erledigt oder die Technische Leitung kümmert sich.

Wie viele Mitarbeiter hat Echtermann und was unternehmen Sie, um gute Mitarbeiter zu finden und zu halten? Leidet Ihr Unternehmen am Fachkräftemangel und wenn ja, was unternehmen Sie zur Nachwuchsförderung?

Wir haben 63 Mitarbeiter, einen Mix aus Jung und Alt. Echtermann ist Ausbildungsbetrieb, wir bieten auch Praxissemester an. Bei uns gibt es nur eine geringe Fluktuation. Mitarbeiter sind teils 50 Jahre im Unternehmen, wir feiern auch in diesem Jahr 40-jährige Jubiläen. Der Technische Leiter, Heinz-Peter Tuczyk, ist 30 Jahre im Betrieb. Um Mitarbeiter zu finden, hält das Unternehmen lockeren Kontakt zu Berufsschulen und bietet Probearbeit an. Daneben unterstützen wir regionale Aktivitäten wie Ferienlager oder Vereinsarbeit. Echtermann gilt als attraktiver Arbeitgeber. Bei uns kann man sich zum Beispiel zum Wirtschaftsingenieur aus- und weiterbilden lassen. Wir übernehmen auch die Kosten für die Meisterschulung. Zurzeit haben wir zwei Azubis in der Produktion, nämlich als Zerspanungsmechaniker und in der Lagerlogistik. Wir bilden auch zur Industriekauffrau oder im Werkzeugbau aus.

Welche Trends und Anforderungen in gewerblichen Küchen machen Sie für die nächsten Jahre aus? Wie werden Sie darauf reagieren?

Hygieneaspekte werden eine immer wichtigere Rolle spielen, darauf sind wir vorbereitet. Wir wollen Produkte schaffen, die langlebig und wartungsarm sind und das immer weniger werdende Personal unterstützen. Emotionalität ist ein weiteres Thema. Im Privathaushalt ist das bereits zu beobachten, die Großküche entwickelt sich in diese Richtung. Siehe die offene Showküche, dort kann ich auch mal Farbakzente setzen.

Wo sehen Sie Echtermann in den nächsten Jahren?

Für uns zählen die Parameter Qualität – Individualität – Innovation. Apple hat es geschafft, so zur Benchmark zu werden. Das wird vom Kunden gar nicht hinterfragt. Da möchte ich mit Echtermann hin: Premiummarke sein! Der Markt hat von uns noch einiges zu erwarten.

www.echtermann.de

Das Gespräch führte unser Chefredakteur Peter Erik Hillenbach. Das Interview ist im Trendkompass 9-2018 erschienen.


Vor Ort

Das Produktionsgebäude von Echtermann ist mitten in einem Wohngebiet angesiedelt: Die ältesten Gebäudeteile sind von 1902.

Bei der Produktion fällt der hohe Grad an manueller Tätigkeit auf – ganz wie in einer Manufaktur. Jeder Mitarbeiter kann alle Maschinen bedienen. Formteile werden sorgfältig von Hand geschliffen, sonst CNC bearbeitet. In diesem Sommer wurde ein Schleifroboter angeschafft.

Teilweise wird im Zweischichtbetrieb gearbeitet. Es gilt das Prinzip der Teilbearbeitung. Die zu bearbeitenden Rohlinge werden aus den umliegenden Gießereien angeliefert.

Biegen, Löten, Polieren – alle diese Aufgaben werden im Iserlohner Werk erledigt. Neu sind innovative Fügeverbindungen für Edelstahl. Das heißt, die alte Löterei ist bald Geschichte. Legierungen sind extra für den Trinkwasser- und Lebensmittelkontakt konzipiert.

Die ehrwürdigen Hallen erleben eine fortschreitende bauliche Modernisierung. Umgebaut wird nach dem Prinzip: Hülle und Dach bleiben stehen, das Innere wird neu aufgebaut.  


FACTS

Echtermann ist ein Premiumhersteller für Gastro- nomiearmaturen und wurde 1887 gegründet 

Das Unternehmen hat seinen Standort im westfälischen Iserlohn und produziert ausschließlich dort für den Weltmarkt 

Der Betrieb ist in Familienbesitz und wird seit 2016 von Geschäftsführer Matthias Cleffmann geleitet. Er ist seit 2010 bei Echtermann 

Neue EU-Bestimmungen (Verbot des krebserregenden Cr6) machen ein Redesign sämtlicher Produkte nötig – das Unternehmen stellt von verchromtem Messing auf Edelstahl um 

Parallel zum Materialwechsel läuft der Umbau des Unternehmens: Sowohl in die Gebäudesubstanz, in moderne Webseiten als auch in die Unternehmenskultur und Mitarbeiterführung wurde und wird massiv investiert


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