Seit kurzem lädt das CGIN (Campus-Gastronomie im Norden) am Nordcampus in Göttingen in hochmoderne Räume. Highlights sind stylische Pavillons mit neuem gastlichem Foodkonzept. Ein Novum das ausgeklügelte Energiekonzept: So heizt die Abwärme der Großküche auch zwei Studierendenwohnheime. Einblicke in das spannende Projekt von und mit Partnern von Netzwerk Culinaria.
Die Campus-Gastronomie im Norden, kurz CGiN, setzt neue Maßstäbe: optisch ein Hingucker, lichtdurchflutet, die Ausgabe organisiert über ein Pavillonkonzept mit wöchentlich rollierendem Speiseplan, alles getragen von einem stark vergrößerten Team (plus 60 neu eingestellte Personen), dazu im Back neue Prozesse verknüpft mit klimafreundlichen Lösungen. „Es macht richtig Spaß, hier in die Gesichter des Teams und die der Gäste zu schauen, das Neue zu erleben“, sagt Guido Forthmann, Leiter der Campusgastronomie Göttingen. Es ist ein großer Schritt in die Zukunft – dabei vieles „mutig und herausfordernd“, wie Forthmann es immer wieder beschreibt.
Auf ins Wohnzimmer
Das Foodkonzept stellte man auf neue Füße: Der Speiseplan wechselt nun nicht mehr täglich, sondern wöchentlich. „Das bringt uns im Prozess eine deutliche Erleichterung und den Gästen eine hohe Wahlfreiheit – täglich zehn Gerichte stehen an den Themenpavillons zur Auswahl.“ Man erhofft sich so auch eine deutliche Entzerrung im sonst üblichen Ansturm auf die täglichen Renner: „Die bieten wir ja nun fünfmal die Woche.“ Auch logistisch dürfte der wöchentliche Speiseplan von Vorteil sein: „Wir können so auf tägliche Mindermengen in den Lieferungen, oft ohne Vorwarnung der Lieferanten, deutlich besser und frühzeitiger reagieren.“
Die Speisen sind nun auf zwei Ebenen erhältlich, organisiert in einem Pavillonkonzept. Eine Zentralküche produziert vor, die Logistik-Prozesse hinein in die Satellitenküchen der vier Themenpavillons sind mit planerischen Kniffs versehen. Etwa: Die Durchfahrschnellkühler von Cool Compact erhielten eine Direktanbindung an die Kühlzellen von Viessmann. „Das ist in dieser Form nicht alltäglich, macht uns aber viel Freude, weil es das Küchenteam in der Hygiene und einer durchgehend funktionierenden Kühlkette perfekt unterstützt,“ beschreibt Andreas Glose vom Netzwerk Culinaria-Mitglied Cool Compact die Vorteile.
Die Themenpavillons ergänzen die Gerichte mit frischen Zubereitungen vor dem Gast. Im Erdgeschoss empfängt das „Daily“, ein großer Café-Pavillon, mit Schnelldrehern wie frischer Pizza oder Gerichte vom Teppanyaki-Grill. Ein neues Angebot in der Kaffeeversorgung verspricht mehr Wahlfreiheit und Umsatz. Kaffeeliebhaber können nun dank zwei integrierter Milchtanks aus ein- und demselben Gerät wählen: entweder ein Getränk mit Kuhmilch oder eine vegane Variante mit Hafermilch. Diese neuen Optionen mit Automaten von Melitta waren zuvor schon im Test bei den Göttingern. „Hier stieg der Umsatz sofort um rund 20 Prozent an“, berichtet Dietmar Krämer von Melitta Professional. Im Obergeschoss lädt das CGiN in viele aufgelockerte Sitzbereiche, von modern-stylish bis hin ins Wohnzimmer – natürlich mit Tapete an der Wand. An den Pavillons serviert man regional-saisonale Speisen, zur Hälfte vegetarisch. „Unser Credo ist: Wir lassen die Wahl zwischen pflanzlichen und tierischen Speisen“, erläutert Guido Forthmann.
KI macht Kasse
Selbst-Scan-Kassen mit KI sind längst keine Seltenheit mehr. Außergewöhnlich aber ist, sofort und zu 100 Prozent das Kassieren an die KI zu delegieren – wie jetzt im CGiN. Ein mutiger Schritt, wie Forthmann sagt - es gab viel Vorarbeit. Um störungsfrei kassieren zu können, wurden alle 13 Selbst-Scan-Kassen an das interne Warenwirtschafts- und Kassensystem angebunden. Doch es galt auch, das Team zu überzeugen. „Viele befürchteten, dass Arbeitsplätze abgebaut werden sollen. Doch wir wollen mit diesem Schritt einfach die Angebote und Öffnungszeiten sichern.“
Mehr Räumlichkeiten, ein zeitgemäßes Foodkonzept, dazu das Entzerren des Gaststroms über nun zwei Eingänge in die Mensa, verbunden mit dem Pavillonkonzept anstelle einer Linienausgabe: „Wir bieten so heute viel mehr Gastlichkeit“, freut sich Guido Forthmann.
Im Energiesparmodus
Den Footprint mindern – baulich und technisch eine hochkomplexe Aufgabe: Was rechnet sich? Denn den Mensabau stemmte man finanziell selbst, ohne Förderung vom Bundesland. Und was trägt weit in die Zukunft hinein? Natürlich bezogen die Göttinger regenerative Energien in die Analysen mit ein: Luftwärmepumpen in der notwendigen Größenordnung gibt es noch nicht, und die an diesem Standort vorhandene geothermische Energie via Erdwärmepumpe wäre für den Mensabetrieb nicht hinreichend. Solarzellen hätte das Dach statisch nicht getragen, und im Winter hätte die berühmte Dunkelflaute vielleicht doch so manches Mittagessen verhagelt.
Doch den hohen Anspruch hielten die Göttinger aufrecht: „Wir planen hier in großen Zeitfenstern – wirtschaftlich und ökologisch schauen wir 30 bis 40 Jahre voraus“, beschreibt Forthmann die Messlatte. Schlussendlich - man fand eine zukunftsgerichtete Lösung, hier eine Auswahl der besonderen technisch-planerischen Wege:
- In der Kälteversorgung setzt man heute auf eine Zentralkälte und zu 100 Prozent auf das natürliche Kältemittel CO2, über alle Techniken hinweg. Das sind immerhin 74 Kühlstellen. „Das ist in der Tat noch eine Rarität in der Branche, weil eben aufwändiger und teurer in der Umsetzung“, verdeutlicht Diplom-Ingenieurin Eva Gelhausen, langjährig tätige Fachplanerin und Pressesprecherin bei Netzwerk Culinaria. „Es ist ein deutlicher Schritt in die Zukunft – das natürliche Kältemittel reduziert den ökologischen Fußabdruck erheblich, weil es einen GWP nahe Null aufweist.“
- Der bisher schon außergewöhnliche Energiemix kam auf den Prüfstand - und wurde im Prinzip beibehalten: Strom für viele Techniken, keine Fernwärmeversorgung, dazu weiterhin Gas als Primärenergie zur Eigenerzeugung von Niederdruckdampf. Er dient dampfbetriebenen Techniken wie den speziellen Meiko-Spülmaschinen und für dampfbetriebene Kochkessel von MKN. In Verbindung mit weiteren Maßnahmen so ein hervorragender Energiespar-Standard „KfW 40“ erreicht werden. Heißt: Dieses Gebäude benötigt mit allen seinen Techniken im Vergleich zu Referenzgebäuden – also anderen Mensen und Betriebsgastronomien – nur 40 Prozent der Primärenergie.
- Die umfassende und deutlich sparsamere Energieversorgung des CGiN basiert auf einer Tausendsassa-Anlage – einer Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung (KWKK). Dahinter verbergen sich übliche Blockheizkraftwerk-Module (BHKWs), hier verknüpft mit Kältetechnologie. Diese KWKK produziert alles, was benötigt wird: Strom, Kälte, Wärme für Heizwärme und Warmwasser, beides auch für zwei Wohnheime, dazu Dampf für Küche und Spülküche. Die Anlage gilt als wichtiger Beitrag zur Energiewende. Zum Vergleich: Herkömmliche Gaskraftwerke besitzen einen Wirkungsgrad von etwa 50 Prozent, die KWKK-Technologie von über 90 Prozent.
- Die Kühlung der Räumlichkeiten (Speisesäle, Küche, Spülbereich) erfolgt durch Absorptions-Kältetechnologie mittels Abwärme. Dies minimiert den Einsatz elektrischer Energie im Vergleich zu herkömmlichen Kältemaschinen.
- Neben einer dezentralen Stromerzeugung mittels BHKW nutzen die Göttinger Wärmerückgewinnung, bis es quietscht – viele moderne Techniken machen es möglich: etwa die Lüftung von Halton mit Marvel-Steuerung und einer Wärmerückgewinnung bis zu 80 Prozent.
- Technik und Leitungen sind schon jetzt auf (möglichst grünen) Wasserstoff als eine kommende Hauptenergie ausgelegt – hier lässt sich innerhalb kürzester Zeit auf die grüne und damit komplett CO2-neutrale Energiequelle umstellen.
„Wir sind hochzufrieden, weil wir trotz Soft-Opening, ganz ohne Werbung, gleich in der ersten Woche mehr Essen verkauften als die erhofften 2.000.“ In der Spitze waren es gut 2.800 Essen täglich, angepeilt sind 3.500 Essen. Die KI-Kassen funktionieren, und trotz der großen Resonanz in den ersten Tagen lösen sich die sonst üblichen Warteschlangen in der Tat offenbar auf. Zudem spürt man: Die neue Gastlichkeit kommt an. So außergewöhnlich und herausfordernd der Weg insgesamt war: „Es hat mir wirklich sehr viel Freude bereitet“, schaut Guido Forthmann zurück. „Zumal man im Leben meist nur einmal die Chance erhält, als Bauherr, Gastronom, Koch und Manager ein solches Projekt begleiten zu dürfen.“