Management & Organisation | 26.10.2018

Digitales Pilotprojekt

Projektverantwortliche in der Campo mit Partnern im Netzwerk Culinaria (von links): Jens-Martin Birkenstein (Leiter Hochschulgastronomie Studierendenwerk Bonn), Michael Mayer (Meiko), Peter Rudolph (MKN), Kai Jacques (Küchenchef Campo), Silke Klaus, Thomas B. Hertach (Netzwerk Culinaria), Michael Meuter (Hupfer) und Andreas Glose (Cool Compact) / Foto: Netzwerk Culinaria

Das Studierendenwerk Bonn startete kürzlich mit einem Digitalprojekt, das erstmals mehrere Hersteller einbindet. Das Küchenteam in der Mensa Campo nutzt die digital-mobile Cockpit-Lösung des Netzwerk Culinaria. Sensoren erfassen aus vorerst sieben Technikbereichen die HACCP-Daten, um sie via Funknetz und WLAN in ein Hygienemanagement-Tool einzuspeisen.

Es sind für Küchenchef Kai Jacques nur wenige Klicks auf dem Tablet, schon bauen sich die aktuellen Temperaturprofile der einbezogenen Techniken auf. Alle 15 Minuten senden Sensoren über ein Meldesystem via Funknetz und WLAN die neuesten Messungen aus vielen Arbeitsbereichen der Campo – ohne dass Kollegen auf dem weitläufigen Mensagelände zeitaufwändig Daten erfassen, nachhalten oder eintragen müssten. „Diese Form der Digitalisierung ist sicher die Zukunft“, so Felix Jacques, stellvertretender Leiter der Hochschulgastronomie in Bonn, der das Digitalprojekt von Beginn an betreut. „Wir digitalisieren Messwerte nicht nur, überführen sie also vom Papier oder aus der Küchentechnik in den PC, in eine Tabelle oder auch Spezial-Software“, verdeutlicht er. „Wir gehen einen Schritt weiter: Wir automatisieren den Prozess in hohem Maße und bündeln die Werte aus Techniken, und das von gleich mehreren Herstellern, auf einer Plattform. Und wir können unterwegs sehr komfortabel Daten verfolgen, dank einer App klappt das. Alles das bringt uns Vorteile, die wir schon in den ersten Wochen bemerken.“

Momentan sind sechs Hersteller einbezogen, darunter die Netzwerk-Mitglieder Meiko, Cool Compact, Hupfer und als Digitaldienstleister Awenko. Im ersten Schritt sind Techniken aus dem Spülbereich und dem Tiefkühl- beziehungsweise Kühllager integriert, ebenso Kühltheken für Salate und Desserts, Kühlvitrinen für Desserts mit und ohne Schleierkühlung sowie ein Einfahrkühlschrank zwischen Küche und Ausgabe. Initiator des Projektes ist Thomas B. Hertach, Leiter Netzwerk Culinaria. „In Küchen herrscht Fachkräftemangel, da brauchen wir Lösungen, die Zeit sparen, die Kollegen entlasten und wirklich praktikabel sind. Und in unserem Netzwerk sind die fachlichen Kompetenzen dafür vorhanden.“ Daher hatte der Leiter der Anwendungsberatung bei Hupfer im vergangenen Jahr gemeinsam mit Kollegen aus weiteren Netzwerk-Unternehmen das Vorhaben vorangetrieben.

Funknetz plus WLAN

Das Erfassungssystem basiert auf Sensoren, die in oder an den Küchentechniken regelmäßig Temperaturen messen, von dort via Funknetz (433 MHz) die Daten an einen Receiver senden. An manchen Stellen braucht es Repeater, um die Funksignale über längere Wege oder durch Wände hindurch stark genug zu erhalten. In der Campo sind zunächst zwei eingesetzt. Anschließend gelangen die Daten vom Receiver via LAN oder WLAN auf einen eigenen Server oder einen von Awenko bereitgestellten Datenserver, quasi in die Cloud. „Wir haben uns an dieser Stelle zunächst für die günstige Version, die Cloudlösung entschieden“, erläutert Felix Jacques die Wahl vor Ort. „Wir sehen hier die oft diskutierten Risiken als gering an, zumal es sich bei den Messwerten nicht um sensible Unternehmensdaten wie etwa bei solchen aus Personalabteilungen handelt.“

Die beteiligten Hersteller begleiten und verfolgen den Ansatz mit großem Interesse. Manche bieten eigene, speziell für ihre Maschinen ausgefeilte Softwarelösungen, die aber wie marktüblich stets den Technikbereich der eigenen Marken abholen. Das gilt auch für Cool Compact: „Wir bieten eine eigene HACCP-Software für unsere Techniken, aufgrund des speziellen Protokolls lassen sich keine weiteren einbinden“, sagt Andreas Lindauer, Geschäftsführer Vertrieb/Marketing bei Cool Compact. Gleichwohl beteiligt sich der Hersteller von Kühltechnik an diesem Pilotprojekt: „Wir sehen, dass es ein wirklich unkomplizierter Weg ist. Hersteller-unabhängigen Lösungen gehört die Zukunft, alles andere ist für die Kunden nicht praktikabel“, so Lindauers Einschätzung. Außerdem sieht er weitere Vorteile: „Großküchen, die eine EU-Zertifizierung benötigen, erhalten oft die Auflage, die Temperaturen nicht durch Geräte-eigene Messfühler zu ermitteln, sondern durch externe“, so seine Erfahrung. Natürlich sind auch Messsysteme – wie die in der Campo installierten – regelmäßig einer Eichprüfung zu unterziehen. „Doch diese Option ist dann auch für Betriebe mit strengsten Hygieneauflagen geeignet.“ Für Lennart Mogk, Leiter Marketing Hupfer, ergibt ein solcher Weg ebenfalls Sinn: „Wir möchten unsere Kunden auch in diesem Bereich mit sicheren und einfachen Lösungen unterstützen, die schon heute kostengünstig zu realisieren sind. Deshalb sind wir hier an Bord.“ Und Anfragen aus weiteren Segmenten, etwa im Bereich Care zu Sensoren in Tablett-Transportwagen zeigen, dass Kunden nach Lösungen und Wegen suchen.

Transparenz und verbesserte Abläufe

Als wesentlicher Vorteil digital-automatisierter Prozesse gilt die Zeitersparnis. „Im Moment gehen wir davon aus, dass wir rund ein Viertel unseres HACCP-Aufwandes einsparen können“, so eine vorsichtige Schätzung von Jacques. Und auch das ist für den Campo-Manager positiv: „Unser Sicherheitslevel steigt, denn händische Eingaben, eine wesentliche Fehlerquelle, sind an bisher einbezogenen Stationen nicht mehr nötig. Und wir verfügen über deutlich mehr Transparenz zu unserem Hygienestandard, zu jeder Zeit an jedem Ort, erkennen Fehlerquellen und auch Verbesserungspotenzial.“ Temperaturprofile geben Insidern und Küchenkennern Hinweise auf Fehlerquellen in den eigenen Abläufen. Der Klassiker sind offene Türen nach dem morgendlichen Verräumen der Ware in das Kühllager. Lindauer erlebt in der Praxis: „Frisch produzierte Heißspeisen kommen zum Abkühlen nicht in den Chiller, sondern in den Einfahrkühlschrank – der dafür nicht ausgelegt ist. Manche schalten dann einfach die Alarmfunktion ab, um sie nicht ständig im Ohr zu haben.“ Seine Bewertung: „Menschlich, aber hygienisch fahrlässig.“ Küchenkundige können ein solches fehlerhaftes Vorgehen dennoch aus Temperaturprofilen ableiten, die Risiken auch gut einschätzen. „Dank der jederzeit und überall verfügbaren Daten auf dem Tablet, verbunden mit einer großen Transparenz ließe sich dann auch zügig Abhilfe schaffen“, so Jacques.

Ein weiteres Plus: „Wir werten mit dem neuen Küchenwerkzeug, dem Tablet, den Arbeitsplatz in der Hygiene deutlich auf.“ Sicher werde es weiterhin manuelle Einträge geben, etwa in der Warenannahme, dann aber mittels mobiler Kommunikationstechniken. „Wir bieten Zeitersparnis in dem oft unbeliebten Arbeitssektor, verbunden mit einem trendigen Arbeitstool.“ Beim sensiblen Thema Datenschutz wählten die Campo-Verantwortlichen diesen Weg: „Die Mitarbeiter loggen sich anonymisiert ein, wir können anhand der Dateneingaben oder Aufrufe nicht erkennen, wer wann was erledigt hat.“

In Kürze plant Jacques die Erhitzungstemperaturen sowie die der Warmausgabe einzubeziehen. „Damit hätten wir das Gros aller HACCP-Kontrollstellen vernetzt beziehungsweise erfasst.“ Die im Hintergrund genutzte Software von Awenko lässt zwar weitaus mehr Prozesstätigkeiten einbeziehen, keineswegs nur auf HACCP oder das Hygienemanagement beschränkt. „Aber wir wollen zunächst einmal erste sinnvolle und notwendige Schritte gehen, alle Mitarbeiter mitnehmen und sukzessive die Digitalisierung, wo sie hilfreich wie hier unterstützen kann, angehen.“ Sein vorläufiges Fazit: „Es ist der richtige Weg: Unter dem Strich sparen wir viele Stunden pro Woche, erhalten gleichzeitig ein deutliches Plus bei der Hygienesicherheit und in der Transparenz.“

www.netzwerk-culinaria.de


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