Management & Organisation | 05.07.2023

Wanted: Neue Arbeitszeitkonzepte

Fotostrecke Cool Compact Schnellkühler Schnellkühler, die nach DIN 10536 die Speisen herunterkühlen, garantieren den perfekten Einstieg in die zeitversetzte Speisenproduktion / Foto: Netzwerk Culinaria

Kann eine zeitversetzte Produktion in Profiküchen helfen, die aktuellen Herausforderungen wie Personalnot oder Gästeschwund besser zu meistern? Branchen-Experten vom Netzwerk Culinaria loten die Chancen in der Betriebs- und Campusgastronomie aus.

Die Fünf-Tagewoche in Klinikküchen, die Vier-Tagewoche in Gemeinschaftsverpflegungs- oder Gastronomieküchen: Wer Jobportale aufsucht, findet mittlerweile nicht nur Gesuche, sondern immer öfter Arbeitgeber, die genau das anbieten, teilweise bei vollem Lohnausgleich. Sie liegen dabei voll im Trend, zeigt eine jüngste Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung: Rund 81 Prozent der Vollerwerbstätigen hätten gerne eine Vier-Tage-Woche, fast alle, weil sie sich mehr Zeit für sich und die Familie wünschen.

Es tut sich etwas: „Die Personalnot in der Branche zwingt viele Betriebe zu neuen Arbeitszeitkonzepten“, verdeutlicht Eva Gelhausen, Sprecherin bei Netzwerk Culinaria. „Wer sein Speisenangebot nicht eindampfen möchte oder kann, weil in Heimen und Kliniken sieben Tage die Woche Essen auf den Tisch muss, hat eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Man kauft Essen dazu oder verändert Produktionsprozesse.“ Heißt: Betriebe produzieren vor, fertigen quasi ihre Inhouse-Convenience – und verknüpfen es teils mit mehr Automatisierung.

New Work mit flexiblerer Küche

In der Betriebsgastronomie gesellt sich zur Personalnot ein weiteres Problem durch Remote Work hinzu: „Stellenweise bleibt montags und freitags die Kantine nahezu leer, die Tage sind wirtschaftlich oft völlig uninteressant“, so Christa Franke, Prokuristin bei Profitabel Resultants. „Hier müssen wir die Küche auf völlig andere Füße stellen – ohne eine zeitversetzte Speisenproduktion und eine veränderte Wochenplanung wird es in Zukunft nicht mehr gehen“, betont die Fachplanerin. Eine Entwicklung, die Franke seit Jahren forciert: „Die Rückkühlung gehört heute für uns sehr selbstverständlich zu einem wirtschaftlich-hygienischen Prozess dazu.“ Das war vor zehn Jahren noch anders, Cook & Serve war meist das einzig praktizierte System. „Natürlich wird es immer Speisen geben, die wir just-in-time produzieren, etwa im Frontcooking.“ Doch künftig brauche es ein Mischsystem mit der Option für eine zeitversetzte Speisenproduktion. „Zumal wir für ein Küchenteam im gesamten Arbeitsprozess über eine Woche hinweg betrachtet den eigentlichen Produktionsprozess effizienter und kürzer gestalten können.“ Das heißt konkret: „Am Ende haben wir die Küche vielleicht nur drei oder vier Tage voll im Betrieb, so aber wirtschaftlich und optimal ausgelastet.“

Das Fazit der Fachfrau: „Wir werden den Change in der Betriebsgastronomie ohne Support von Cook & Chill nicht anders lösen können, zumal wir nicht mehr an jedem Standort eine voll ausgestattete Küche halten können.“

Trend: Kleinere und flexiblere Mensa-Küchen

Ähnlich in der Campusgastronomie: Cook & Serve herrscht in den teils Jahrzehnte-alten Mensa-Küchen vor, wie Sarah Schmied vom Deutschen Studentenwerk weiß. „Die Arbeitsplätze und Prozesse sind dafür ausgelegt, Cook & Chill ist nur selten im Einsatz.“ Mittlerweile beziehen einige bei Neukonzeptionen die zeitversetzte Speisenproduktion dezidiert mit ein. So zeigt eine Analyse vom Büro vtechnik Planung, das derzeit über 30 Studentenwerke in 60 Projekten berät, dass Cook & Chill an Bedeutung gewinnt. „Zwei Drittel unserer Kunden starten bei Sanierungen mit dem flexibleren Marktplatzkonzept, das für den Ganztag perfekt funktioniert“, erläutert Peter Adam-Luketic, Geschäftsführer vtechnik. „Die wirtschaftlichen Eckpfeiler sind zwei Dinge: Erstens autarke Counter mit Produktions-, Ausgabe- und Kassierfunktion, die je nach Besucherstrom öffnen, und zweitens die Option für eine zeitversetzte Speisenproduktion.“ Denn erst sie gibt die Beinfreiheit, auf Schwankungen jeder Art gut zu reagieren. „Und wir wissen nicht, ob wir in naher Zukunft wieder einfacher Personal finden – so stellen wir uns bestens darauf ein.“

Zudem wird heute oft Cook & Chill für die Versorgung von kleineren Mensen über eine Zentralmensa überprüft und mitgedacht: „Wir planen derzeit eine neue Versorgung für einen Campus mit sechs Standorten, fünf davon werden via Cook & Chill mitversorgt“, so Adam-Luketic. „Wir sanieren hier eine nach heutigen Maßstäben überdimensionierte Mensa für rund 5.000 Gäste und rüsten sie für Cook & Chill mit aus.“ Der Vorteil: Die fünf weiteren Mensa- beziehungsweise Cafeteria-Standorte können im Produktionsbereich kleiner ausgelegt werden. Und: „Es braucht hier deutlich weniger Personal.“

Gesund und frisch

Nun steht Cook & Chill zumindest bei Gästen im Verdacht, dass es sich dabei nicht um frisches Essen handelt. Doch in Sachen Sensorik und Vitamingehalt ist das Verfahren, so belegen es Studien, gegenüber der Methode Cook & Hold dann überlegen, wenn Heißhaltezeiten von ein bis zwei Stunden überschritten werden. Im Studierendenwerk Berlin hat man aus diesem Grund vor zwei Jahren die Warmverpflegung für die interne Kita-Versorgung an den Nagel gehängt. Dazu Jens Grabig, Gastronomiechef am Campus Berlin: „Wir versorgen heute 700 Kinder via Cook & Chill – und haben in Verbindung mit einer Speiseplanumstellung nur noch positives Feedback.“

Damit reagierte das Küchenteam auf die Klagen von Eltern und dem Kita-Personal – das Essen sei nach mehreren Stunden Warmhaltung „unansehnlich“. Heute stehen in jeder der fünf belieferten Kitas Kombidämpfer, in der Regel einer zum Regenerieren und einer zum Produzieren von Beilagen wie Gemüse oder selbst gemachter Pasta. Dazu liefert die Mensa-Küche frische Salate, Rohkost und Obst. Produziert wird im Drei-Tage-Rhythmus, heißt: Montag wird für Mittwoch vorproduziert. Die Küchenmannschaft ist für den Prozess perfekt vorbereitet: Das Personal, auch in der Kita, wurde geschult. Technisch rüstete man mit einem Rückkühlkochkessel und zwei Chillern auf. Der Rückkühlkochkessel automatisiert Stepps im Prozess – Kochen, Mixen, teils Pürieren und Herunterkühlen sind in einem Gerät möglich, ohne umfüllen zu müssen und ohne Qualitätsverlust bei den Speisen. Kommissioniert wird alles im Kühlhaus, dann gut gedämmt transportiert und die Kühlkette unterwegs mit Datenloggern überwacht. „Ja, es braucht mehr Investitionen in Technik und mehr Platz, und wir hatten baulich etwas angepasst, um die Speisen aus dem Chiller direkt ins Kühlhaus zu verfahren“, erläutert Jens Grabig. „Aber wenn wir unsere Kinder lecker und gesund versorgen möchten, dann ist das der richtige Ansatz.“

Weniger Personalnot dank Cook & Chill

Einen besonderen Weg in der Campusgastronomie geht schon seit rund zehn Jahren das Studentenwerk Hannover: Aus der Zentralmensa gelangen täglich Cook & Chill-Komponenten für rund 10.000 Essen an insgesamt 16 Standorte. „Wir ergänzen das vor Ort um just-in-time produzierte Komponenten“, erläutert Melanie Wichmann, Abteilungsleiterin Hochschulgastronomie. Mittlerweile steht ein Neubau für die Zentralmensa an: „Unser Mischsystem mit hohem Anteil an Cook & Chill-Komponenten behalten wir bei, wir haben damit beste Erfahrungen.“ Jüngste Personalnöte während und nach der Pandemie ließen sich dank zeitversetzter Speisenproduktion besser abfedern, ist Wichmann überzeugt.

„Und wir haben nicht nur ein hohes Maß an Flexibilität im Prozess, sondern wir garantieren durch dieses System einen hohen und gleichbleibenden Qualitätsstandard an jedem unserer Standorte“, beschreibt die Staatlich geprüfte Betriebswirtin für Hotel- und Gaststättengewerbe einen wichtigen Vorteil des Systems.

Cook & Chill wird für alle dafür geeigneten Komponenten genutzt: etwa Eintöpfe, Suppen, Saucen, Desserts, Currys, Schmorgerichte sowie fleischfreie und selbst produzierte Pattys. Insgesamt kommen rund 50 Prozent aller Komponenten aus dem Cook & Chill-Verfahren, meist im Drei-Tage-Turnus vorher produziert. „Wir sind absolut überzeugt vom System – wir haben einen zentralen Wochenspeiseplan, mit einer gut abgestimmten Warenwirtschaft“, so Wichmann. „Und wir haben uns mit diesem System und dem passenden Maschinenpark, der vieles automatisiert und ergonomischer erledigen lässt, gut eingestellt auf unsere älteren Mitarbeiter, die wir natürlich halten möchten.“

Fazit: Es braucht (zumindest in der Zentralküche) mehr Investitionen und Kühlkapazitäten, einiges an Vorbereitung und Wissen, um die Vorteile der zeitversetzten Speisenproduktion zu nutzen. „Am Ende wird es im Entscheidungsprocedere darum gehen, wo der Schuh am meisten drückt“, bringt es Eva Gelhausen von Netzwerk Culinaria auf den Punkt. „Habe ich genügend Personal oder nicht? Bleibt die Personalnot, dann braucht es entkoppelte und flexiblere Produktionsprozesse, etwa Cook & Chill, um den Betrieb am Laufen zu halten.“

www.netzwerk-culinaria.de


Checkliste: Start in Cook Chill

Top 3: Die dos und don’ts

Wer zusätzlich Cook & Chill neben dem bisherigen Cook & Serve einführen möchte, muss einige Dinge beachten. Experten vom Netzwerk Culinaria kennen häufige Stolperfallen und nennen drei Do’s und drei Don’ts.

To do #1: Schulung des Personals: in Prozesse und Techniken einarbeiten, Nutzen des Systems aufzeigen. Speisenplanung für die Woche anpassen, Warenwirtschaft anpassen; nur geeignete Komponenten in das Cook & Chill überführen, Rezepte testen und anpassen.

To do #2: Kaltlagerflächen prüfen und anpassen, Planer und Kältetechniker einbeziehen.

To do #3: Zum Herunterkühlen nach DIN 10536 sind Chiller und Rückkühlkochkessel geeignet. Modelle prüfen, die mehrere Funktionen in einem Gerät übernehmen können, um damit Prozessschritte zu automatisieren. Technik für Kalttransporte einbeziehen.

 

Don’t #1: Das Abkühlen von Speisen in Küchenräumen, Gängen (bei Zimmertemperatur) oder in Kühlräumen ist hygienisch nicht geeignet, nach DIN unzulässig. Kühlräume sind nur für schon korrekt temperierte Speisen ausgelegt; hier könnte zudem Tauwasserbildung auftreten und zu Schimmelbildung führen.

Don’t #2: Den bisherigen Speisenplan mit den hinterlegten Rezepten einfach übernehmen: Rezepte sind stets anzupassen. So sind nicht alle Kartoffelsorten und Bindemittel geeignet. Gargrade bis zum Abbruch zum Chillen sind anzupassen beziehungsweise meist zu verkürzen.

Don’t #3: Kochen – Kühlen – und dann ohne Beachtung der Kühlkette die Speisen außerhaus transportieren. Die Kühlkette muss als Kühltransport lückenlos sein, die Temperatur ist bis zum Beginn des Regenerierens zu halten.

Quelle: Schulungsunterlagen Netzwerk Culinaria /Cool Compact/ Hupfer/ MKN/ Viessmann: Cook & Chill – Die Basics (2023)


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